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Alt-Schalkendorf an der Oder

Biographische Erinnerungen

von Bruno Peter Hennek aus der Zeit 1943 - 1958; erste Homepage im Internet über Alt-Schalkendorf (Stare Sio³kowice)...

Ein Bauerndorf in Oberschlesien...

Nachfolgend will ich Sie kurz zu einem kleinen Spaziergang durch ein oberschlesische Bauerndorf unweit der Oder einladen in dem ich bis 1958 meine Kindheit und Jugendzeit verbracht habe. Dieses Dorf war in meiner Kindheit und Jugendzeit der Mittelpunkt der Welt.

Bild: Oppelner Strasse (heute Ulica Powstancow), von Oppeln herkommend

Russische Bomben haben 1944 in Oppeln die Wohnung meiner Eltern zerstört, so daß meiner Mutter nichts anderes übrig geblieben ist als ihren Sohn in den Kinderwagen zu packen und die etwa 18-20 km von Oppeln zu Fuß nach Alt-Schalkendorf zu ihren Eltern zu ziehen.

Alt Schalkendorf, heute Stare Sio³kowice (ab 1945 zur Polen zugehörig) genannt, ist mein Geburtsort in dem ich die ersten 15 Jahre meines Lebens verbracht habe. Schalkendorf liegt im Norden des Kreises Oppeln - heute Opole. Die Siedlung Schalkendorf bestand schon vor dem Jahr 1000. Das Bauerndorf erhielt 1304 das deutsche Recht und ist seit dem urkundlich bewiesen. In der wechselvollen Geschichte Alt-Schalkendorfs (ab 1936) taucht auch der Dorfname Alt- Schalkowitz (bis 1936) auf. Diese drei Ortbezeichnungen führen bei Behörden oft zur großen Verwirrung, wenn es um Geburts-, Heirats- oder Abstammungsurkunden geht.

Die Umbenennung des Ortsnamens 1936 geschah nicht einfach so, sondern war ein Teil der zur Nazi-Zeit durchgeführten Aktion, deren Ziel es war, alle slawisch und vor allem polnisch klingenden Ortsnamen aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Betroffen waren sehr viele Ortschaften in Oberschlesien, Masuren und sogar in der sorbischen Lausitz.

Alt- und Neu Schalkendorf haben heute etwa 2000 Einwohner. Sehr viele Schalkendorfer sind emigriert. Im Jahre 1997 ist es von einem Jahrhunderthochwasser heimgesucht worden, nachdem die Oderdämme de gewaltigen Wassermassen nicht Stand halten konnten.

Bild: An der Schalkendorfer Oder ...

Die Ostseite von Alt Schalkendorf ist noch mit sehr viel Wald umgeben, dort gab und gibt es Pilze, Brombeeren und Heidelbeeren (Blaubeeren).

Heute wird Alt Schalkendorf von der Nachbargemeinde Poppelau oder Popielów verwaltet.

Auf der westlichen Oderseite haben wir immer im Mai das Dorf Skorogoszcz besucht, weil dort die Radrennfahrer der Tour des Ostens Berlin-Warschau-Prag (Friedensfahrt oder Wy¶cig Pokoju) vorbeigekommen ist. Für uns Jugendliche aus Schalkendorf war das ein großes internationales Ereignis. Wir sind dann immer noch 2 bis 3 Stunden länger dort geblieben, weil dann erst die letzte Gruppe der Radrennfahrer aus Indien mit einem Turban auf dem Kopf vorbeigekommen ist. Man muß sich das mal vorstellen, ich habe bis zu meinem 15 Lebensjahr, außer der Russen und im Kino, sonst keine Menschen mit anderer Hautfarbe gesehen.

Das Kino in Schalkendorf war in einem Mehrzwecksaal einer Gastwirtschaft (Stantin). Die Kinoleute sind oft mit einem Pferdefuhrwerk aus Oppeln zu uns aufs Dorf gekommen. Als Kinder haben wir immer am Aufbau zugesehen, als auch die Fenster mit Pferdedecken verdunkelt worden sind. Durch einen Vorhangsschlitz haben wir Kinder dann den Film sehen können, wenn man uns von dort nicht vertrieben hat. Oft ist der Strom bei der Vorführung ausgefallen. Manchmal ist dann auch die Vorstellung ausgefallen, da der Dorfelektriker die Trafostation nicht schnell genug reparieren konnte.

Im Schatten des Krieges...

Jemand hat am Schalkendorfer Kirchturm eine rote Fahne ausgehängt als die Rote Armee Ende Januar 1945 in Schalkendorf eingezogen ist. Im Kampf um den Oderübergang am Brückenkopf Schurgast sind sehr viele Rotarmisten gefallen (man spricht von mehreren Tausend). Das Oderwasser hat sich rot verfärbt von dem Blut der gefallenen Soldaten. In der Nähe von Mikolin ist später ein riesiges Denkmal mit dem Sovjetstern für die gefallenen Rotarmisten errichtet worden. In dieser Zeit sind viele Schalkendorfer Männer aus den Häusern gejagt und erschossen oder verschleppt worden. Betroffen waren auch Männer aus meiner Verwandtschaft.

Bild: Alt-Schalkendorf von einem Aufklärer aufgenommen 1945*

* Quelle: www.herder.uni-marburg.de

Ich kann mich noch an spätere Zeiten erinnern, als die Panzer der Roten Armee mit quietschenden Ketten von Oppeln kommend in Richtung Berlin an unserem Haus vorbeigezogen sind und eine große Staubwolke hinterlassen haben. Ich wollte das damals unbedingt sehen und bin dabei kopfüber in einen Wassergraben gefallen aus dem mich mein Großvater gerettet hat.

Später mußten die Männer von Schalkendorf die in Dorfmitte begrabenen Rotarmisten zur Überführung in in ihre Heimat unter Zwang und unter Bewachung ausgraben. Auf dem Schulweg mußten wir an der riesigen Grube vorbeigehen, aus der es in der Sommerhitze schrecklich stank. Die Leichenteile, die noch teilweise in Stiefeln, in der Kleidung und unter den Helmen steckten, sind in Holzkisten vernagelt worden. Mit Kalk hat man versucht die Ausgrabungsstelle zu desinfizieren. Mein Großvater mußte sich mehrere Tage bei dieser Arbeit übergeben. Er hat sich am Bach in unserem Hof immer die Kleidung ausgezogen und dort gleich alles gewaschen. Später ist an dem Massengrab im Dorf ein Denkmal für die Rotarmisten aufgestellt worden. Wir Kinder sagten zu diesem Denkmal etwas respektlos: "Maggiflasche" ...

Maggiflasche

Links von dem Denkmal der Roten Armee stehen  schon die DFK-Schilder die Deutsche Gäste begrüßen. Heute gibt es das Denkmal nicht mehr, seitlich hat man eine kleine Erinnerungstafel von der Gemeinde aufgestellt.

Eigene Grafik: Alt-Schalkendorf

Auf den Feldern und in den Gärten Schalkendorfs lagen Munition und Waffen herum, die wir Kinder - trotz strengsten Verbot unserer Eltern - eingesammelt habe. Einem Klassenkameraden hat eine gefundene Handgranate die Finger der einen Hand abgerissen. Wir haben besonders gerne die Patronen aufgeschraubt und das Pulver mit eine Zündlunte angezündet und so ein abendliches Feuerwerk gestaltet.Keiner durfte fortan mehr die Deutsche Sprache im Dorf benutzen, da sie sonst von Patrioten an die Polizei und U.B. (Staatspolizei) denunziert worden sind. So entstand dort ein neuer polnischer Dialekt, den man "Wasserpolnisch" nannte. Hier einige Beispiele:

Deutsch
Polnisch
Wasserpolnisch
Bügeleisen
¯elasko
Büglosko
Semmeln
Bu³ki
Zam³y

Schlesier sind dreisprachig, ähnlich den Elsässern - zumindest mein Jahrgang:

  • wir sprechen Deutsch
  • my godoomy po Sl±sku
  • my mówimy po Polsku

Der polnisch-deutsche Mischdialekt war schon sehr viel früher vorhanden. Bei der Volkszählung 1905 lebten in Alt-Schalkowitz 56 Evangelische (davon sprachen deutsch - 48 Personen, polnisch: 1, eine andere Sprache: 7) und 2436 katholische (davon sprachen: deutsch  42, polnisch: 2421 Personen). Die Muttersprache der Alteingesessenen war also zu 95% das sog. "Wasserpolnisch".
Die heutige Jugend in Alt-Schalkendorf spricht den schlesisch/polnischen Dialekt kaum noch.

Mit der Vereinigung der beiden Deutschen Staaten hat sich auch die politische Situation in Schalkendorf positiv verändert. Die ethnische Minderheit der Deutschen im heutigen Polen hat Ihr Recht auf eigene Geschichte, Kultur und Sprache zurückbekommen. In Schalkendorf sind z.B. die Grabsteine mit deutschen Inschriften wieder ausgegraben und an ihren alten Platz am Friedhof aufgestellt worden.
Mitglieder des DFK (Deutscher Freundschaftskreis) bemühen sich in Privatinitiative, dem Schalkendorfer Nachwuchs schon im Kindergarten die Deutsche Sprache beizubringen. In der Schule neben der Kirche haben einige Lehrer eine "Schlesische Heimatstube" eingerichtet in der eine Sammlung von den Einrichtungen der alten Schalkendorfer einiges zu sehen ist.

Etwa 30-40% der Schalkendorfer Familien leben und arbeiten in Deutschland.

Das alte Sägewerk vor dem Poppelauer Bahnhof und die Ziegelei in der Oppelner Strasse gibt es nicht mehr. Man sieht kaum noch einen von Pferden gezogenen Wagen in den Straßen von Schalkendorf. Schalkendorf bietet heute etwa 150 Übernachtungsplätze für Touristen, zwei Reastaurants mit ausgezeichneten Speisen gibt es dort auch und natürlich auch eine Tanzbar für die Jugend.

Die Eisenbahnstrecke ist jetzt zweigleisig geworden. Schalkendorf hat jetzt auch ein Gymnasium bekommen.

Etwa 15-20% der Schalkendorfer leben noch von der Landwirtschaft.

Heute ist die politische Situation gekennzeichnet von einem Miteinander der Deutschen Minderheit und der Polen auf einem gemeinsamen Weg nach Europa.

Die Wurzeln...

Die fruchtbarsten Felder liegen auf der Westseite zwischen dem Dorf und der Oder, außerhalb der Überschwemmungsgebiete. Meist sind die Ernten durch den Oderdamm geschützt worden, nicht jedoch bei der Katastrophe im Jahre 1997 als die Dämme dem Wasserdruck nicht standhalten konnten. In dem zu meiner Familie gehörenden Geburtshaus stand in den Überschwemmungstagen 1997 das Wasser bis zum oberen Drittel der Fenster, wobei das Haus keinen Keller hatte und vorsorglich schon von meinem Großvater mit sog. Hochparterre erbaut worden ist. Das Haus lag immerhin etwa 2 km von der Oder entfernt. Man kann sich bei dieser Entfernung in etwa vorstellen, welches Ausmaß die Überschwemmung hatte.

Bild: Oderhochwasser 1997 in Schalkendorf*

Quelle: http://foto.pap.com.pl

In dieser Kirche (St. Michael) bin ich 1943 getauft worden. In der danebenstehenden Kapelle ist an einer Wand von den Schalkendorfern nach 1958 zu meiner Überraschung eine Marmortafel eingelassen worden, auf der der Name meines Vaters Paul Hennek, der nicht mehr aus dem Krieg gegen Rußland zurückgekommen ist, eingemeiselt worden ist.

Die Kirche St. Michael bekommt im Jahre 1957 neue Glocken:

Glockn-1957

Das ist das einzige Foto von der Ankunft der Glocken vor der Kirche

Im Alter von 14 Jahren durfte ich 1957 die große neue Glocke "Sanctus Michael", die mit ihrem Gewicht von über einer Tonne vor der Kirche auf einem Holzständer aufgebaut war, bei der Glockenweihe als erster vor dem Weihbischof leuten...

Ich kann mich noch genau erinnern, daß ich damals größte Mühe hatte den schweren Glockenklöppel zum Schwingen zu bringen bis ein tiefer und feierlicher Glockenton erklingen konnte.

Neben der Großen Glocke bekam der Kirchturm noch zwei kleinere Glocken "Sancta Maria" und "Sancta Hedwigis", die von nun an in einem wundervollen musikalischen Akkord die Schalkendorfer und Besucher begrüßt haben ...

An den Kirchenmauern dieser ehrwürdigen Kirche St. Michael (erbaut 1825-1830 nach den Plänen von Baurat Schinkel, erweitert 1933/1934 unter Pfarrer Plottnik) betätigte ich mich zum Verdruß meiner Mutter als junger Graffiti-Maler (damals noch ausschliesslich mit weißer Kreide). Am Sonntag darauf hat Pfarrer Theophil Plottnik mich und meine Mutter vor dem ganzen Dorf, von der Kanzel aus zusammengeputzt. Ich mußte dann mit Putzlumpen und Wassereimer antreten und unter Aufsicht des Pfarrers alles schön abputzen. Von diesem Zeitpunkt an mochte ich Pfarrer Plottnik nicht mehr, er hat meine Entwicklung zu einem berühmen Maler damit möglicherweise verhindert! 

Die wichtigsten Arbeitgeber in Schalkendorf waren vor 1958, die Ziegelei, Mühlen, zwei Bäckereien, ein Metzger, zwei Lebensmittelläden, eine Näherei und die Post. Selbstverständlich gehörte natürlich auch die Arbeit in der Landwirtschaft dazu.
Neben zwei Grundschulen, war auch ein Kindergarten vorhanden und ein Krankenhaus. Die Kirche St.Michael ist mit ihrem besonderen Turm bereits weit vor dem Dorf aus zu sehen. 

In diesem Haus bin ich aufgewachsen. Das Hochwasser 1997 reichte bis zum oberen Drittel der untere Fensterreihe ...
Das oben abgebildete Haus ist von meinem Großvater erbaut worden.

Er war zu dieser Zeit (1940) bei der Post mit diesem schönen im "Windkanal" getesteten Auto beschäftigt ...

Plumpsklo

Bis zu meiner Abreise 1958 in die Bundesrepublik war das Plumpsklo neben dem Misthaufen ein vertrauter Anblick in Alt-Schalkendorf und auch in den umgebenden Dörfern.

Den Kindergarten und die Grund- und Hauptschule besuchte ich selbstverständlich in Schalkendorf. Nachfolgende zwei Bilder sind aus dieser Zeit.

Im Spielhof des Kindergartens

vor der Grund- und Hauptschule

Später besuchte ich das Liceum in Groß Döbern, welches ich wegen der Aussiedelung im April 1958 abbrechen mußte. Aus der Kindergarten- Schul- und Liceumsgruppe sind später Journalisten, Ingenieure, Kaufleute und Bauern hervorgegangen. Heute sind meine Freunde aus der Kinder- und Jugendzeit zum Teil über ganz Europa verteilt ...

Ich denke an die Zeit zurück, als wir uns als Kinder freuten wenn der "Lumpenmann" mit seinem Pferdewagen nach Schalkendorf gekommen ist. Wir haben dann alte Kleider oder leere Flaschen hergegeben, dafür haben wir ein Stehaufmännchen oder einen Kreisel zu unserer großen Freude als Gegenleistung erhalten. Sehr interessant haben wir es gefunden wenn die Zigeuner zu ins Dorf gekommen sind. Sie haben die großen Kupferkessel aus den Bäckereien oder Metzgereien über einem offenen Feuer verzinnt oder allerlei Haushaltsgeräre repariert.

Die Unterversorgung der Schalkendorfer Bevölkerung war in den ersten Jahren nach dem Krieg gravierend. Mangels Zahnpasta z.B. haben wir uns die Zähne mit Salzwasser geputzt. Fleisch und Fisch gab es kaum zu kaufen, ebenso wenig Kleidung. Brillenträger haben alles aufgesetzt, was noch aufzufinden war, egal ob die Gläser 100% passend waren oder nicht. An Geld mangelte es sehr, so daß die Leute versucht haben sich durch Tauschgeschäfte am Leben zu halten. Dadurch, daß wir ein Stück Acker hatten, später zwei Kühe, zwei Schweine drei Ziegen sowie Hühner, Gänse und Kaninchen, konnten wir uns selbst einigermaßen versorgen. Davor hat meine Großmutter Lebensmittel bei ihren etwas "reicheren" Bauernbrüdern zusammenbetteln müssen.

Ich denke aber auch wehmüttig an die Zeit zurück als sich Hobby-Musiker aus dem Dorf am Sonntag Nachmittag mit einem Akkordeon in das weiche Gras am Strassenrand mit unseren Nachbarn zusammengesetzt haben und bis in den Abend hinein musiziert und gesungen worden ist. Kein Auto hat uns dabei je gestört ...

Stawy in der Ulica ¶w. Micha³a...

In der Dorfhauptachse, der St. Michael Strasse, befanden sich einst Löschweiher aus denen die Feuerwehr das Löschwasser gepumpt hat um Brände zu löschen.

stawy

Hier zwischen der Kirche und der Nepomuck-Kapelle befand sich ein solcher Weiher. Im Winter war das für uns Kinder eine ideale Schlittschubahn auf der wir auch Eishokey, manchmal sogar zusammen mit dem Kaplan gerne gespielt haben. Von den Löschweihern hat man im Winter auch Eisblöcke gewonnen die in Gruben mir viel Stroh eingelagert worden sind um dann z.B. das Bier im Sommer in den zwei Schalkendorfer Bewirtungen zu kühlen.

Getreide-Drescherei vor dem Feuerwehrgebäude

Nach 1945 mußten meine Großeltern noch mit dem Dreschgflegel in der Scheune das Getreide tagelang bearbeiten bis man dir Getreidekörner gewinnen konnte. Das Schroten des Getreides ist mit einem flach in einer Führung liegenden Doppel-Mühlstein erfolgt. Den oberen Mühlstein musste  man drehen mit vielen anschliessenden Siebvorgängen bis man daraus selbst etwas backen konnte nach harter Arbeit.

Gemeinde-Drescherei

Einige Jahre nach dem Krieg ist das Getreiden noch af den einzelnen Höfen durchgeführt worden mit einer Leihdreschmaschiene. Dafür mußten Elektrker für die Dreschmaschine noch ein Starkstromkabel von den Elektroleitungen von den Masten an der Strasse durch den Hof legen bis zu der ausgeliehenen Dreschmaschine die in der Scheine stand. Mit nachbarschaftlicher Hilfe hat man dann den ganzen restlichen Tag benötigt um das Getriede zu dreschen. Die Männer haben die vollen Getreidesäcke dann auf den Speicher oberhalb vom Stahl gewuchtet.

Später ist die Dreschmaschine vor dem Feuerwehrgebäude, sh. Bild oben, aufgestellt worden und die Kleinbauern mußten das Getreide aus den Scheunen am Haus dort hintransportieren zu einem bestimmten Termin.

Die Landschaft der Mühlen und Seen...

Die im Wind singende Windmühle und die plätschernde Wassermühle auf den nachfolgenden Bildern begleiteten meine Kindheit und Jugendzeit. In Schalkendorf und den umliegenden Gemeinden ist sehr viel Getreide seinerzeit angebaut worden. Die Region Oppeln fährt auch heute republikweit die höchsten Getreide-Ernteerträge ein - SW 2-15 IV 99 Seite 5 "Dörfer mit Zukunft"!

Die Wassermühle am klaren Wasser der Brinnitze und die Windmühle am Klausenberg versorgten nicht nur die Schalkendorfer Bäcker mit Mehl ...

Die Windmühlen sind zwischenzeitlich abgebrannt, das Feuer legte ein Feuerwehrmann aus Schalkendorf!

Die Mühlen am Klausenberg

Die beiden Windmühlen am Klausenberg im Jahre 2005

Windmühlenbrand

Im Jahre 2009 sind die Mühlen abgebrand

Die Geschichte der Schalkendorfer Windmühlen ist auf der heutigen Homepage von Schalkendorf hinterlegt worden: Klick!

Marcin Weis in Schalkendorf hat auf seinem Privatgrundstück eine Nachbildung der abgebrannten Windmühle als Bastler errrichtet: Klick!

Marcin Weis Nachbildung der Windmühle

2022: Nachbildung einer Windmühle durch Marcin Weis

Kleine Seen lagen vor und nach dem Oderdeich. Einer der schönsten Seen ist dabei sicher der an der Gemeindegrenze von Poppelau liegende "Gänsesee" gewesen ...

Hier im Eichenwald gab es auch die Rieseneiche "Klaras-Ruh" mit einem Umfang von 6,65 m. Der Name stammt von einer Fürstentochter, die bis hier hin von ihren Feinden verfolgt worden ist, und hier Ihre Ruhe gefunden hat. Diese Eiche hat bereits die wilden Mongolen- und Schwedenscharen gesehen, die das Land ausplünderten und dem Erdboden gleich gemacht haben.

Von Hechten und Wallern mit einer Länge von über einem Meter war die Rede, wenn die Dorfältesten über den "Gänsesee" erzählt haben, der in einem Laubwald an der Oder liegt.

Vom geheimnisvollen Gänsesee gibt es viele Sagen, z.B. die vom "Utopek", dem Wassermann. Es war eine Gestalt, die dafür verantwortlich gemacht worden ist, wenn jemand beim Baden ertrunken ist

Bild unten: Am fischreichen Gänsesee ...

Bild: Gesamtansicht am Gänsesee ...

An der Brinnitze habe ich, wie viele andere Schalkendorfer Kinder, das Schwimmen gelernt. Dort gab es in meiner Jugendzeit ganz sauberes und bis zum Bachgrund klares Wasser und einige Stellen mit schönen Sandbänken. Wir haben in der Kinderzeit das Wasser sogar getrunken. Es ist dabei zum Trinken lediglich durch ein über die Flasche gespanntes Taschentuch gefiltert worden.

Bild: Am klaren Wasser der Brinnitze 1973 an der Hauptstrasse nach Poppelau. Etwa 30 Jahre später war an dieser Stelle leider nur noch ein Dreckloch zu sehen, weil nachfolgenden Generationen und die Gemeinde Poppelau den Umweltschutz offensichtlich noch nicht richtig verstanden haben...

In Groß Döbern besuchte ich das Liceum. Hier bin ich bereits als Kind mit vielen Schalkendorfern jedes Jahr zum Rochus-Fest auf einem Pferdewagen gekommen. Wir sangen alle "Rochu ¶wiety nasz Patronie ...". Der Platz um die Kirche herum war immer voller Menschen, die nach der Beichte unter dem freien Himmel und der Messe meist von Verwandten oder Bekannten anschließend zum festlichen Mittagessen eingeladen worden sind.

Schalkendorfer Wiesen...

Im Jahre 1733 haben nach Genehmigung die Schalkendorfer begonn einen Teil des nordöstlich liegenden Waldes zu Roden um Wiesen anzulegen die man für die Landwirtschaft benötigt und wovon es in Schalekndorf selbst zu wenig gab. Es gab einen Grenzstreit zwischen den Schalkendorfern und den Herzögen von Württember-Oels. Die Grenzdifferenzen sind 26. August 1748 gütlich beigelegt worden.

Von dem Mangel an Wiesen nach 1945 ist selbst die kleine Landwirtschaft von meinem Großeltren betroffen gewesen. Meine Großeltern mußten eine Wiese am westlichen Ufer der Oder pachten. Die Bewirtschaftung war schwierig weil, weil man das Heu  über die Cyrys-Fähre an das östliche Ufer der Oder bringen mußte. Die reißende Strömung der Oder an dieser Stelle hat zu abenteuerlichen Situationen geführt die ich noch selbst erleben durfte.

Kunst und Krempel...

Natürlich stand in Schalkendorf das bäuerliche Handwerk im Vordergrund. Ofensetzer, Tischler, Stellmacher, Zimmerleute und Korbflechter haben vor allem Gebrauchsgegenstände mit viel Liebe zu Detail angefertigt.

Butterfass aus Schalkendorf

Öllampe aus dem Carlsruher Schloss

Mandala der Schalkendorfer Korbflechter

Malerei einer Schalkendorfer Heimarbeiterin auf einem Teller als Volkskunst für Cepelia

Mädels aus Schalkendorf heute...

Das obige Video habe ich im August 2005 aufgenommen

"Sio³kowiczanki", heutige Gesangsgruppe mit Mädels aus Schalkendorf.
Kontakt: Tel: (077) 4694-337 oder 4692-523

Poeten und Heimatkundler...

Einer der in jüngster Zeit sich in seinem Ruhestand mit der Heimatkunde von Alt- Schalkendorf beschäftigt hat, war Dr. med. Otto Spisla (Jahrgang 1920), der Schalkendorf, Poppelau und Ruttenau eine interessante Chronik hinterlassen hat.

Davor war es Andrzej Stampka (Jahrgang 1889) der für das Schlesische Institut in Oppeln, in polnischer Sprache eine kleine Chronik aufgeschrieben hat, die aber sehr den polnischen Wurzeln in Alt-Schalkendorf schmeichelte..

Ein richtiger Poet war Jakob Kania (Jahrgang 1872) der viele Gedichte über die Schalkendorfer Bauern geschrieben hat. Bei Hochzeiten war es damals üblich, daß Kinder Gedichte vorgetragen haben, die etwas mit dem Brautpaar zu tun hatten und recht lustig waren. So habe auch ich einige solche Gedichte gelernt, die ich auf einem Stuhl stehend der Hochzeitsgesellschaft vorgetragen habe.

Die Kommunisten haben Jakob Kania in der Dorfmitte ein Denkmal gesetzt. Von Kania stammt der Satz:"Ja jestem Polakiem z krwi, ko¶ci i æia³a"  - "Ich bin ein Pole, aus Blut, Knochen und Leib" (*1872, +1957). Jakob Kania war nicht nur ein Poet, er war eben auch ein Patriot!

Ältere Schalkendorfer berichten, dass Kania vor dem Krieg die Fahne aus der Kirche entwendet hat und für diesen Frevel vom Oppelner Gericht zu 5 Monaten Gefängnis verurteilt worden ist.

Ferner hätte er polnisches Agitationsgeld verwaltet (jede polnische Stimme ist 1921 mit 20 Mark belohnt worden). Ferner hätte er sich als Agitator bereichert an Bauern, die er zum Übersiedeln nach Polen überredet haben soll. Die Schalkendorfer schwiegen aus Angst nach dem Krieg zu diesen Vorgängen, da Kania als sog. "Powstaniec = Aufständischer" der damaligen polnischen Führung gut in das Konzept paßte. 

Ehrenhafter soll da schon als Poet und Heimatkundler der Bauernsohn Dr. Simon Sobieck gewesen sein, der 1828 in eine Stiftung 1000 Taler angelegt hatte um studierenden aus Schalkendorf ein Stipendium zu ermöglichen. Pfarrer Plottnik hat dieses Stipendium noch bis 1945 angeboten.

Ansichten eines Dorfes:

Postkartenbild: Alt-Schalkowitz vor 1936

Postkartenbild: Alt-Schalkendorf zwischen 1936 und 1945

Postkartenbild: In den Jahren 1960/65 wurde die Kirche Sw. Micha³a in Sio³kowice
Stare renoviert
und im modernen Stil erneuert, in den Jahren 1976/77 nochmals, um sie den Vorschriften des2. Vatikanischen Konzils anzupassen.

Man muss nur genau hinsehen:

Mit dieser Homepageseite wollte ich vor allem den ehemaligen und heutigen Schalkendorfern eine kleine Freude bereiten. Man muß nur genau hinsehen um die Schönheiten von Schalkendorf zu entdecken ...

Bild: Herbst in Schalkendorf 10/2000, (c) B.P. Hennek

An dieser Stelle möchte ich ganz besonders meiner verstorbenen Klassenlehrerin Frau Padechowicz danken, die Ihre Heimat an den Mazuren aufgegeben hat um den Kindern in Schalkendorf Toleranz gegenüber allen Menschen dieser Welt zu vermitteln. Ich denke auch gerne an die vielen schönen Lieder zurück, die ich bei ihr lernen durfte ...

Ich hoffe, der kleine Spaziergang hat Ihnen gefallen. 

Literatur zur Heimatkunde:

  • "Ein Gang durch die schönen oberschlesischen Dörfer Alt-Schalkowitz, Poppelau und Chrosczütz", Otto Spisla, Laumann Verlagsgesellschaft in Dülmen - 1989, ISBN 3-87595-283-9
  • "Moje Siolkowice" Andrzej Stampka, Instytut Slaski - Opole 1970
  • Siolkowice, Zarys dziejow wsi opolskiej von Manfred Kutyma, Opole 2007

Interessante Links:

Diese Homepage im Fernsehen:

"POWRÓT DO KREUZBURG STADT"hieß der Film von Zbigniew Waclaw Kowalewski, der von einem Besuch ehemaliger Kreuzburger, heute Kluczbork, in der schlesischen Stadt Kreuzburg erzählt. Viele Aufnahmen dazu sind in Schlesien, Oppeln und bei ehemaligen Schlesiern in Deutschland entstanden. Es kommt in dem Film auch ein Fragment über den Poeten Jakob Kania vor, wobei Kowalewski Informationen von dieser Homepage hier verwendet hat, was mich besonders freut. Der Film ist in TV-Polonia gesendet worden.

Ausgabedatum: 07.04.1999, 18.02.2023 (c) Bruno Peter Hennek

Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt, seine Nutzung ist dem privaten Bereich vorbehalten. Ein Nachdruck oder die Übernahme in andere Datenbanken oder Medien ist ohne Erlaubnis nicht, gestattet - diese wird aber in der Regel gern erteilt. 

Anfragen bitte an den Verfasser: Bruno Peter Hennek