Deutsche und Polen
In einem Versuch einer
historischen Aufarbeitung bemühte sich der Fernsehsender ORB mit einer
4-teiligen Sendung „Deutsche und Polen“ im Jahre 2002 auch auf die
Probleme im Zusammenleben zwischen Deutschen und Polen einzugehen. Nachfolgenden
Text habe ich der Homepage des ORB zu diesem Thema entnommen.
Deutsche
Minderheit in Polen 1918-1947
Erst im 19 Jahrhundert gab es in Polen scharfe Konflikte zwischen der
deutschen Minderheit und der polnischen Mehrheit. Vorher hatte man mehrere
Jahrhunderte lang friedlich zusammen gelebt. Als 1918 ein neuer unabhängiger
polnischer Staat entstand, wurden Deutsche, nach den Erfahrungen mit der
deutschen Germanisierungspolitik, als Feinde dargestellt.
Zusammenleben
unmöglich?
Es
gab ab 1918 nicht nur eine deutsche Minderheit in Polen. In dem ehemaligen preußischen
Teilungsgebiet Gebieten, verloren Deutsche ihre bisherige Herrenstellung. Viele,
die von der Minderwertigkeit polnischer Kultur überzeugt waren, wanderten aus.
Dies wurde 1927 von Deutschland unterbunden, um den deutschen Bevölkerungsanteil
in Polen nicht aufzulösen. Im ehemaligen russischen und österreichischen
Teilungsgebiet war die Lage anders. Dort hielt man sich von Politik fern und
pflegte die Heimatsprache. In den Städten war man mit der polnischen Bevölkerung
vielfältig verbunden. Ab 1933 arbeiteten viele Deutsche in Polen mit dem
nationalsozialistischen Deutschland zusammen.
Ganz
anders war die Situation in Oberschlesien. Hier hatte sich der Landadel an die
deutsche Kultur assimiliert, während das einfache Volk die polnische Sprache
beibehalten hatte. Obwohl Verwaltung und Behörden Druck ausübten, entwickelte
sich hier ein immer stärkeres polnisches Nationalbewußtsein.
1921
lebten auf dem polnische Staatsgebiet etwa 1,1 Millionen Menschen, die Deutsch
sprachen. 1931 waren es nur noch 739.000. Es handelte sich bei diesem Rückgang
um die erwähnte Massenauswanderung. Viele Polen erwarteten von der neuen
Republik, daß die das vorher existierende Unrecht der Germanisierung
ausgleicht. Zunächst wurden Schulen geschaffen, in denen die polnische Sprache
Unterrichtssprache war. Die nicht geschlossenen deutschen Schulen wurden von den
Kindern der deutschen Minderheit besucht. In den dreißiger Jahren drang hier
der Nationalsozialismus beängstigend schnell vor. Den Deutschen wurde Land
abgekauft und die großen Güter parzelliert, um die Lage der Landbevölkerung
zu verbessern. Viele deutsche Gutsbesitzer erhielten versteckte finanzielle
Unterstützung aus Deutschland. Diese Hilfe war an politische Bedingungen geknüpft.
Diese außenpolitische Instrumentalisierung der Deutschen in Polen wirkte sich
verheerend aus.
Seit
1933 wurden die meisten Organisationen der deutschen Minderheit zu Werkzeugen
der nationalsozialistischen Politik. Durch die ab 1934 beginnende Annäherung
Polens an Deutschland – 1934 unterzeichneten beide Staaten einen
Gewaltverzicht-, bemühten sich die polnischen Behörden deutschen
Organisationen keine Steine in den Weg zu legen.
1945:
Hass auf Deutsche
Mit
dem Vormarsch der Roten Armee schlägt der deutschen Bevölkerung jenseits von
Oder und Neiße eine Welle des Hasses entgegen.
Die Situation der Polen unter deutscher Besatzung ist von Elend, Hunger,
Erniedrigung, erzwungener Entwurzelung und Tod geprägt. Unter diesen
Bedingungen wird der Drang nach Rache, Vergeltung und Bestrafung Deutschlands
und der Deutschen zu einem Allgemeingut. Dieser Wille kann die Forderung nach
einem so vernichtenden Sieg über die Deutschen annehmen, „daß dies
dem Anfang vom Ende nicht nur des deutschen Staates, sondern auch des deutschen
Volkes gleichkommen wird.“ Trotz ihrer Radikalität ist dies keine
vereinzelte Forderung. Der Wunsch nach einer definitiven Lösung des Problems
eines vermeintlich aufgrund seiner genetischen Bedingtheit aggressiven Nachbarn
ist allen Richtungen des polnischen Untergrundes eigen. Ähnlich wie die Überzeugung
von der Kollektivschuld der Deutschen und von der Notwendigkeit, sie zu
bestrafen.
Das
polnische Bild vom Deutschen wandelt sich radikal,
noch bis 1939 vermischten sich negative mit positiven Elementen. Jetzt, nach dem
Krieg heißt es: „Die Deutschen rettet nichts ... Die, die hier sind,
bleiben als Dünger in der Erde. “ Die Allgegenwart eines gewaltsamen,
mehr oder weniger zufälligen Todes ließ den Wert des menschlichen Lebens auf
ein heute nicht mehr vorstellbaren Tiefpunkt sinken. Der Überfall des Dritten
Reiches im Jahre 1939 wird als Fortsetzung und Krönung des Jahrhunderte alten
„Drangs nach Osten“ betrachtet und die nationalsozialistische
Besatzungspolitik als Fortsetzung von seit dem Mittelalter erprobten Methoden
zur Ausrottung des Polentums. „Nicht Hitler hat die KZ´s erfunden, das
hat die deutsche Seele über Jahrhunderte in sich herangezüchtet.“
Der erste Ministerpräsident der polnischen Exilregierung Wladislaw Sikorski
sagte schon im September 1939: „In diesem Kampf wird der preußische
Geist vernichtet werden, und zwar gründlich – unabhängig davon, ob er
nach außen von Hitler oder von irgendjemand anderem verkörpert wird.“
Deutsche werden als Zwangsarbeiter zum Wiederaufbau des zerstörten Landes
eingesetzt, wurden in Lager wie Lamsdorf/Lambinowice oder Schwientochlowitz/Swietochlowice
gebracht und sind dort Hunger, Krankheiten ausgesetzt, wurden misshandelt oder
ermordet. Die Vertreibungen verliefen in vielen Fällen menschenunwürdig.
Ein
Priester aus Grünberg/Zielona Gora berichtet: „Polnisches Militär rückte
ein, und was jetzt an Rohheit und Brutalität geschah spottet jeder
Beschreibung. Mit Schüssen, Gewehrkolben und Peitschenwurden die Deutschen in
ihrer ärmlichen Kleidung beraubt und ausgeplündert, auf die Straße getrieben
und in Kolonnen in Marsch gesetzt.“ Die polnischen Kommunisten haben
kein Personal und keine Pläne: So muß das Millionen von Menschen betreffende
Um- und Ansiedlungsprogramm als eine große Improvisation organisiert werden,
durchgeführt mit Hilfe von ganz und gar nicht darauf vorbereiteten Personen und
ad hoc geschaffenen Institutionen. Die Ausnutzung des allgemeinen Hasses auf die
Deutschen zeichnet sich als einer von möglichen Brückenpfeilern der Verständigung
zwischen der neuen Staatsmacht und der mißtrauischen Bevölkerung ab. Alte
Parolen der polnischen Nationaldemokraten vom urpolnischen, piastischen
Charakter der Gebiete werden von den polnischen Kommunisten übernommen, die nur
dank dieser Interpretation als „wiedergewonnen“ bezeichnet werden können.
Der
spätere Parteichef Gomulka 1946: „Die Ausweitung des Landes nach
Westen und die Bodenreform bindet die Nation an das System.“ Weil
der Lebensraum für die Polen aus dem Osten dringend gebraucht wurde, müssen
viele Deutsche in Lagern untergebracht werden. Da saßen sie dann monatelang
zusammen mit Strafgefangenen, NS-Funktionären, die auf ihre Aburteilung warten,
oder Schindern von der SS, die nun ihrerseits geschunden werden, aber auch
Polen. In solchen Lagern lassen die Wächter und Kommandanten ihrem Hass auf die
Deutschen freien Lauf. Nach Schätzungen von Experten des Koblenzer
Bundesarchivs kommen während dieser Phase in Polen 60 000 bis 100 000 Insassen
ums Leben. (Quelle: Der Spiegel.)
Die Vertreibung der Deutschen
Auf
der Potsdamer Konferenz wird auch die "Überführung" der in diesen
Gebieten wohnenden Deutschen beschlossen, allerdings wird die Durchführung
"in ordnungsgemäßer und humaner Weise", wie sie Artikel XIII des
Potsdamer Abkommens vorsieht, in der Realität ins Gegenteil verkehrt. Bei den
Vertreibungen, die unmittelbar nach Kriegsende eingesetzt haben, werden bis 1947
etwa 3 Millionen Deutsche aus den Oder-Neiße-Gebieten, insgesamt etwa 6,9
Millionen, meist in die westlichen Besatzungszonen "transferiert".
Schon mit dem gemeinsamen Vorrücken von Roter Armee und den in ihren Reihen kämpfenden
polnischen Einheiten kommt es zu sogenannten „wilden Vertreibungen“
der deutschen Bevölkerung. Noch vor einer Verhandlung der Siegermächte wollen
die neuen Machthaber Tatsachen schaffen. Hunderttausende sind zwar bereits vor
der Front geflüchtet, aber zu Beginn des Jahres 1945 leben
immer noch über 5 Millionen Deutsche jenseits von Oder und Neiße. Die Beschlüsse
der Potsdamer Konferenz vom Sommer 1945 fordern von der polnischen Regierung
„vorerst weiter Abschiebungen aufzuschieben“. Die Nachrichten vom
hohen Blutzoll der chaotischen Vertreibungsaktionen mit ihren Auswüchsen an
Terror und Greuel sind bis nach London und Amerika vorgedrungen. Zwar einigt man
sich in Potsdam grundsätzlich auf einen „Bevölkerungsaustausch“
als Mittel der politischen Konfliktlösung, doch soll es dabei nach dem Willen
der Siegermächte „ordnungsgemäß und human“ zugehen. Dafür fehlt
es jedoch an sämtlichen Voraussetzungen. Sowohl materiell als auch ideell. Das
kriegszerstörte Polen ist nicht in der Lage, die Mittel für diese größte Völkerwanderung
der Menschheitsgeschichte bereitzustellen. Nach den Schrecken der
nationalsozialistischen Besatzungszeit ist es auch nicht zu erwarten, dass
Rachegefühle auf Seiten der polnischen Behörden und der polnischen Bevölkerung
ausbleiben werden. Fünf Jahre gehörte das massenhafte Sterben zum Alltag in
Polen.
Mit der Befreiung der
Konzentrationslager wird das ganze Ausmaß der deutschen Mordfabriken auch für
alle Polen sichtbar. Nie in Europa war der Wert eines menschlichen Lebens so
gering wie am Ende des Zweiten Weltkrieges. Am 14. Februar 1946 unterzeichnen
die Briten ein Abkommen mit der polnischen Regierung, das eine geordnete
Aussiedlung zumindestens auf dem Papier ermöglichen soll. Zehn Tage später
verläßt der erste Transport der Aktion „Schwalbe“ („Swallow“)
den Bahnhof Kohlfurt (Kalawsk). Zwar versucht die nun existierende
Organisationsbehörde zur „Repatriierung von Deutschen“ das Bild
einer großen organisatorischen Anstrengung zu vermitteln, aber ihre Möglichkeiten
der Einflußnahme sind begrenzt. Zwar sollen übermäßige Härten und
Gesetzesverstöße geahndet werden, aber bei der Größe der Aufgabe geht vieles
wieder auf Kosten der deutschen Bevölkerung. Diebstähle, Überfälle auf die
Transporte und Raubzüge, die Bedrohung des Lebens stehen auf der Tagesordnung.
Die
Eisenbahnzüge sind vollkommen überladen, die Versorgung für die oft
wochenlang fahrenden Transporte ist unzureichend. Erfrorene, Verhungerte, auch
1946 gehören sie zum Alltag der Vertreibung. Ein großes Problem stellt auch
die Aufnahme der Vertriebenen in den deutschen Besatzungszonen dar. 8000
Menschen täglich muß allein die britische Besatzungszone aufnehmen. Die Russen
protestieren bei den polnischen Behörden gegen die Überfüllung der
Sammelpunkte, den Mangel an Verpflegung und Hygiene und gegen die laufenden Überfälle
auf die Transporte. Nach wie vor behandelten polnische regionale Behörden die
Deutschen wie vollkommen rechtloses Freiwild. Die Aktion „Schwalbe“
endet im November 1947, 2 Millionen Menschen haben die Oder in Richtung Westen
überquert. In den Jahren 1948-50 sankt die Zahl der Vertriebenen ständig.
Flucht
und Vertreibung der Deutschen nach 1945 sind Teil eines uralten Phänomens
erzwungener Bevölkerungs-Verschiebungen. Das 20. Jahrhundert wird von
verschiedenen Fachleuten als das Jahrhundert von verschiedenen Vertreibungen
gesehen. Armenier, Türken, Griechen, Polen, Inder, Deutsche, zahlreiche
Afrikaner oder Asiaten, Palästinenser, Kosovo-Albaner , Kurden gehören zu den
Opfern.
Deportation
und Vertreibung werden völkerrechtlich seit den Nürnbergern
Kriegsverbrecherprozessen 1945/1946 als Verbrechen gegen die Menschlichkeit
angesehen. Wirklich geächtet werden Deportationen und Vertreibungen von den
Herrschenden dieser Welt jedoch nicht und deshalb kommen sie auch heute noch häufig
vor.
Um den materiellen Schaden den aus den Deutschen
Ostprovinzen vertriebenen Menschen auszugleichen, schuf die Bundesrepublik
Deutschland am 14. August 1952 das Lastenausgleichsgesetz.
Die Schäden wurden aufgrund der Einheitswerte
von 1935 bis 1940 mit insgesamt 62,5 Milliarden Reichsmark bewertet. Nicht berücksichtigt
wurden Verluste an barem Geld, Edelmetallen, Schmuck, Luxusgegenständen,
Edelsteinen, Perlen und Kunstgegenständen, da ihr Besitz kaum nachgewiesen
werden konnte.
Um überzogene Entschädigungsforderungen zu
vermeiden, wurden sogenannte Heimatauskunftsstellen eingerichtet. Diese besaßen
aufgrund von Auskünften der früheren Bewohner und anderer zugänglicher
Unterlagen eine ziemlich genaue Übersicht über die Besitzstände in den
deutschen Siedlungsgebieten vor der Vertreibung. Sie erteilten in knapp 2,2
Millionen Bewertungsgutachten Informationen über früheren Land- und Gebäudebesitz.
Die verlorenen Betriebsvermögen wurden durch unterschiedliche Fachgremien
bewertet, die aus Experten der einzelnen Gewerbe- und Wirtschaftsbranchen
zusammengesetzt waren.
Die individuelle Rekonstruktion der verlorenen
Vermögenswerte war eine diffizile Massenaufgabe. Es waren 8,3 Millionen Anträge
für 6,3 Millionen Fälle zu bearbeiten. 19 Verordnungen enthielten umfangreiche
Bewertungstabellen. Die Schäden wurden in degressiv gestaltete Schadensgruppen
eingeteilt. Hohe Schadensverluste wurden prozentual niedriger entschädigt als
niedrige. 100 Prozent Entschädigung gab es nur bei bis zu 4.800 Reichsmark
Verlust.
Neben der sogenannten Hauptentschädigung gab es
eine Fülle von anderen Leistungen wie Hausratsentschädigung,
Eingliederungshilfen, Darlehen, Unterhaltshilfe und Kriegsschadenrente.
Obwohl der Lastenausgleich von vornherein
zeitlich nicht begrenzt war, ist er länger aktuell geblieben, als dies erwartet
worden war. Im Jahr 1968 verwies der Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge
und Kriegsgeschädigte, Kai Uwe von Hassel, in einem Deutschlandfunk-Interview
auf den von der Regierung ins Auge gefaßten Abschluß der Gesetzgebung über
die Kriegs- und Nachkriegsfolgen, zu der auch der Lastenausgleich gehört,
nannte aber gleichzeitig neue Aufgaben in diesem Bereich:
Es bleibt zum Beispiel die Gleichstellung der
Flüchtlinge aus der sowjetisch besetzten Zone. Wir haben 3 ? Millionen
Menschen, die aus der Zone bei uns Zuflucht suchten. Sie sind bis heute in den
Lastenausgleich nicht einbezogen. Die Bundesregierung hat nun vor etwa 3 bis 4
Wochen einen Grundsatzbeschluss gefasst, mit dem auch dieser Komplex
abgeschlossen wird. Nun ist es nicht so, dass wir eine völlige Gleichstellung
vollziehen können. Einmal weil die Mittel, die dazu notwendig sind, nicht
ausreichen. Wenn auch nicht alle Blütenträume reifen, so ist es sicher, dass
die Kenner der Materie zugeben, dass man hier eine faire Lösung gefunden hat,
die vor allen Dingen auch die sozialen Kriterien so berücksichtigt, dass den
schwersten Fällen wirklich grundlegend so geholfen werden kann, oder in etwa so
geholfen werden kann, wie den Vertriebenen oder den einheimischen Geschädigten
geholfen werden konnte.
Im Jahr 1979 lief die Vermögensabgabe aus. Nun
musste der Staat für das Defizit beim Lastenausgleich aufkommen. Die Zahl der
Anträge ging allerdings zu dieser Zeit bereits stark zurück. Man rechnete mit
dem Auslaufen des Lastenausgleichs – bis die Welle der Spätaussiedler in
den 80er Jahren und die Einigung Deutschlands ihm unerwartet einen neuen
Aufschwung verschaffte. Die Spätaussiedler, deren Zuzug im Jahr 1990 mit mehr
als 400.000 einen Höhepunkt erreichte, waren bis zum Jahr 1993
lastenausgleichsberechtigt.
Der Einigungsvertrag von 1990 enthielt Regelungen zum Lastenausgleich für die
betroffenen Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern, die aber als
restriktiv und verbesserungsbedürftig kritisiert und durch eine Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts korrigiert wurden.
Erneut in die Schlagzeilen geriet der Begriff
Lastenausgleich im Jahr 1992, als der damalige Bundespräsident Richard von
Weizsäcker eine solche Regelung für die neuen Bundesländer vorschlug. Dafür
sollten die Erträge aus Kapitalvermögen mit einer Abgabe belastet werden.
Diese Idee fand aber sowohl bei der Wirtschaft als auch bei der Bundesregierung
keine Unterstützung. Statt einer Sondersteuer auf Vermögen wurde schließlich
eine Solidarabgabe von zunächst 7,5 % der Einkommensteuer beschlossen.
Nach 50 Jahren Gültigkeit und mehr als 30
Novellen scheint das Lastenausgleichsgesetz nun tatsächlich in seine
Auslaufphase zu kommen. Aber auch für diese Zeit ist noch eine Reihe –
zum Teil neuer – Aufgaben zu erledigen. Ein Experte dafür ist
Ministerialrat Werner Groß vom Bayerischen Arbeitsministerium für Arbeit und
Soziales, der die Arbeitszeit der Ausgleichsämter noch auf 10 Jahre schätzt.
Heute gibt es noch 89 Ausgleichsämter im
ganzen Bundesgebiet mit etwa 1245 Beschäftigten. Die Ausgleichsämter wickeln
derzeit noch rund 14.000 unerledigte Feststellungsanträge ab. Hauptaufgabe ist
derzeit die Gewährung der Kriegsschadenrenten. Hier werden im ganzen
Bundesgebiet noch etwa 24.000 Personen mit Leistungen bedacht. Daneben ist eine
der Hauptaufgaben heute die Rückforderung des Lastenausgleichs wegen Vermögensrückgabe
insbesondere im Beitrittsgebiet, in letzter Zeit aber auch in den Vertreibungs-
bzw. Aussiedlungsgebieten.
Durch die sogenannten Rückforderungen haben die
Ausgleichsämter inzwischen bereits wieder ca. eine Milliarde DM, also eine
halbe Milliarde Euro, eingenommen. Lastenausgleichsleistungen müssen zurückgezahlt
werden, wenn die Empfänger Vermögen, für das sie entschädigt wurden, wieder
zurückbekommen haben. Das ist vor allem für in den neuen Bundesländern
gelegenes Eigentum der Fall, seltener in osteuropäischen Staaten, aus denen die
Deutschen nach dem 2. Weltkrieg vertrieben wurden. Die östlichen
Nachbarstaaten verweigern die Rückgabe des enteigneten Vermögens oft mit dem
Hinweis auf die Entschädigung durch den deutschen Lastenausgleich.
In der Präambel des Lastenausgleichsgesetzes
ist festgehalten, dass die Gewährung und Annahme solcher
Lastenausgleichsleistungen keinen Verzicht auf die Rückgabe dieser zurückgelassenen
Vermögenswerte der Deutschen bedeutet.
Das
Versöhnungszeichen der polnischen Bischöfe vom 18.11.1965
Nach
Abschluß des II. Vatikanischen Konzils (11. Oktober 1962 - 8. Dezember 1965)
wird ein Brief der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Kollegen veröffentlicht.
Der darin enthaltene Satz "Wir vergeben und bitten um Vergebung" wird
in der Folge von der katholischen Kirche in Deutschland übernommen und zum
wichtigsten Leitmotiv der christlichen Versöhnung zwischen Polen und Deutschen.
Am 18. November 1965 geht von der italienischen Hauptstadt ein Zeichen der Versöhnung
aus, welches das feindliche Schweigen zwischen Polen und Deutschen beenden
hilft. Aus Anlaß des Zweiten Vatikanischen Konzils treffen die katholischen Würdenträger
aus der ganzen Welt aufeinander. Beseelt von der Friedensbotschaft des Konzils
verfassen die polnischen Bischöfe einen Brief an ihre deutschen Kollegen. Sie
wagen den Sprung über den Schatten der Vergangenheit und strecken die Hand aus
zum Dialog. Der Brief endet mit den denkwürdigen Worten: „Wir vergeben
und bitten um Vergebung.“ Ein unerhörtes Ereignis, 20 Jahre nach dem
Krieg. Dieser Satz war außergewöhnlich mutig, denn für die meisten Polen gibt
es nach den Leiden der Naziherrschaft keinen Grund, Deutsche um Vergebung zu
bitten, selbst wenn sie Zeugen von polnischem Unrecht gegenüber Deutschen in
der Nachkriegszeit geworden sind.
„Dialog“
war das große Motto des II. Vatikanischen Konzils, über religiöse,
ideologische und nationale Eiserne Vorhänge hinweg. Kurz vor der
1000-Jahr-Feier der Christianisierung Polens wollen die polnischen Bischöfe in
Rom ein Zeichen setzen, in Richtung Westen.
„Dafür
werden wir zahlen müssen“, bemerkt einer der Anwesenden Unterzeichner des
Briefes. Er behält recht. Denn die Bitte um Vergebung entspricht nicht der
politischen Linie der polnischen Regierung. Partei und Regierung starten deshalb
eine Propagandakampagne gegen den Episkopat – zum Teil durchaus
erfolgreich, weil die Bitte um Vergebung auf Unverständnis stößt. Noch
schwieriger wird die Lage der Würdenträger, als die Antwort der deutschen
Kollegen sehr zurückhaltend ausfällt, zur Oder-Neiße-Grenze kein Wort. Es
sieht so aus, als glauben die deutschen Bischöfe, sie würden sich in Gefahr
begeben, wenn sie einen deutlichen Standpunkt einnähmen – und nicht die
polnischen Bischöfe, die das Risiko in einer Diktatur bereits auf sich genommen
haben. Es dauert lange, bis sich Polens Katholiken von dem Schock darüber
erholen, dass sie unter Protestanten sowie unter Sozialdemokraten und Liberalen
in der Bundesrepublik auf mehr Verständnis stießen als bei Katholiken und
Unionspolitikern.
Erst
viel später, im Jahr 1968, wird ein „Memorandum deutscher Katholiken zu
den deutsch-polnischen Fragen“ veröffentlicht, verfasst vom „Bensberger
Kreis“, einer Gruppe zum Teil prominenter katholischer Geistlicher und
Laien, das klare Aussagen wie die folgende enthält: „Daher wird es für
uns Deutsche unausweichlich, uns mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass wir
die Rückkehr dieser Gebiete in den deutschen Staatenverbund nicht mehr fordern
können.“ Dieses Memorandum wird vom polnischen Episkopat als
angemessene Antwort auf den Bischofsbrief angesehen – wenn auch nicht vom
ursprünglich angesprochenen Adressaten. Der Briefwechsel der Bischöfe und das Memorandum
des Bensberger Kreises haben die deutsche Öffentlichkeit soweit auf nötige
Veränderungen in der Polenpolitik vorbereitet, dass die 1969 gewählte
sozialliberale Regierung unter Willy Brandt die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze
durch die Bundesrepublik Deutschland in die Wege leiten kann
Quelle:
Video „Deutsche und Polen“ gesendet vom ORB-Fernsehen
Grunwald
- Tanneberg
Der Ort der Schlachten
Gleich zweimal ist Tannenberg, das polnische Stebark, ein kleiner Ort in den
westlichen Masuren, in die Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen
eingegangen und steht als Symbol für die kriegerischen Auseinandersetzungen
zwischen den beiden Nachbarvölkern.
Zum ersten Mal treffen hier,
zwischen Tannenberg und Grünfelde (Grunwald), im 15. Jahrhundert Truppen des
Deutschen Ordens mit dem Heer von polnisch-litauischen Soldaten zusammen.
Nachdem sich Polen und Litauen in der Union von 1389 enger zusammengeschlossen
haben, wird eine Machtprobe mit den Deutschen Ordensherrschern unvermeidlich.
Gestärkt in seiner Position verweigert der polnische Herrscher WladysLaw
Jagiello dem Orden eine Neutralitätserklärung, womit er die Kriegserklärung
des deutschen Hochmeisters Ulrich von Jungingen provoziert. Nach längeren
Vorbereitungen treffen die Truppen des Deutschen Ordens mit dem vereinigten Heer
aus polnischen und litauischen Soldaten sowie russisch-tatarischen Hilfstruppen
am 15. Juli 1410 bei Tannenberg zusammen. Während das Kriegsglück zunächst
auf der Seit des Deutschen Orden ist, gelingt es einer Vereinigung von
litauischen und russischen Heeresteilen, die Schlacht für sich zu entscheiden.
Der Hochmeister Ulrich von Jungingen und ein Großteil seiner Ritter fällt -
die Reste der Truppe fliehen.
Der Sieg des polnischen,
litauischen und russischen Heeres bei Tannenberg stellt einen entscheidenden
Sieg für das polnisch-litauische Königreich dar und läutet den Niedergang des
Deutschen Ordensstaates ein. In Erinnerung an diesen Sieg bei Grunwald, wie er
in die polnischen Geschichtsbücher eingegangen ist, errichten die Polen 1966
ein Denkmal zwischen Tannenberg und Grunwald. Neben einem zehn Meter hohen
Obelisk erinnert ein Museum an diese große Schlacht des Mittelalters.
500 Jahre nach der Schlacht
vom 15. Juli 1410 treten deutsche Soldaten erneut bei in den Masuren bei
Tannenberg zur Schlacht an. Diese Mal unter veränderten Vorzeichen, denn
die Gegner sind Soldaten des russischen Reiches und die deutschen Truppen gehen
als Sieger aus der Schlacht hervor.
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges
haben die Soldaten des Deutschen Kaiserreiches bereits weite Teile Ostpreußens
aufgeben müssen. In dieser Situation holt die deutsche
Heeresleitung den pensionierten
General von Hindenburg, der die Operationspläne seines Gegners entschlüsselt
und den Umschließungsplan seines Generalstabchefs, General Erich Ludendorff,
aufgreift. In der Nähe des Kampfplatzes von 1410 - einer flachen Ebene, die nur
durch wenige Hügel unterbrochen wird - kommt es im August 1914 zu einer großen
Schlacht, in der die deutschen Truppen den Sieg für sich erringen können. Die
russische Armee wird vernichtet, 90.000 Russen wandern in deutsche
Gefangenschaft und der russische Heerführer, General Samsonow, nimmt sich das
Leben. In den folgenden Wochen kann Ostpreußen wieder von den Russen befreit
werden.
Nach dem Sieg an den Masurischen
Seen wird General Paul von Hindenburg in einem beispiellosen Kriegskult zum
„Helden von Tannenberg“ stilisiert. Zugleich wird dieser Triumph
von den Siegern als Revanche für die Niederlage von 1410 gefeiert.
1927 läßt das Deutsche Reich
mit Spenden aus der Bevölkerung in der Nähe von Hoheinstein, dem heutigen
Olsztynek, ein „Tannenberg-Denkmal“ errichten. Das Denkmal stellt
das größte deutsche Kriegsdenkmal dieser Zeit dar - eine Mischung aus den
keltischen Stonehenge in England und der mittelalterlichen Burg Castel del Monte
des deutschen Kaisers Friedrich II. in Italien. Die vier Türme sollen einer
unterschiedlichen Funktion zugeführt werden, u.a. als kirchliche Weihehalle,
als ostpreußisches Museum oder als Jugendherberge genutzt werden.
Von den Nationalsozialisten wird
dieses Monument für die eigene Propaganda und die Verherrlichung des Krieges
genutzt. Unter gewaltigem propagandistischem Aufwand und nach umfassenden
Umbaumaßnahmen wird hier am 7. August 1934 die Beisetzung des verstorbenen
Reichspräsidenten von Hindenburg begangen. Bei dieser Gelegenheit wird die
Anlage zum „Reichsehrenmal Tannenberg“ umbenannt.
Zum Ende des Krieges wird das
Denkmal vor dem Anrücken der Roten Armee auf Befehl Hitlers gesprengt.
Quelle:
Video „Deutsche und Polen“ gesendet vom ORB-Fernsehen
So
sind Feindbilder erzeugt worden
Das
Bild von den "Kreuzrittern" wurde seit dem 19. Jahrhundert in
Deutschland und in Polen verwendet. In Deutschland wurde mit dem Bild die
Notwendigkeit der Zivilisierung eines als "barbarisch" angesehenen
Ostens assoziiert. In Polen wurde mit dem Bild der Kreuzritter die Unmöglichkeit
eines Zusammenlebens mit den Deutschen verbunden.
In Polen berief man sich 1939 und 1945 auf den Deutschen Orden. Die Eroberung
Berlins wurde "ein neues Grunwald der slawischen Völker genannt." Die
Regierung des kommunistischen Polen pflegte das Gedenken an den Sieg über die
Ordensritter besonders.
Als Adenauer am 10. März 1958 in Köln zum Ehrenritter des Deutschherrenordens
geschlagen wurde und sich dabei im Schmuck eines Kreuzritters mit weißem Mantel
und schwarzem Kreuz ablichten ließ, rief dies in Polen heftige Proteste hervor.
Das Symbol schien genau auf Adenauers Außenpolitik zu passen. Initiativen zu
einem Gewaltverzichts- abkommen mit Polen wurden von Adenauer sabotiert. Polen
lehnte dagegen die von Adenauer favorisierte Einrichtung von Handelsvertretungen
in beiden Ländern ab, wenn nicht die Grenzfrage geregelt würde.
Adenauers
Politik in Richtung Osteuropa behauptete vor allem den Alleinvertretungs-
anspruch deutscher Interessen. Ohne Friedensvertrag, behauptete Adenauer, sei
ein Schlußwort über Deutschlands Grenzen von 1937 nicht gesprochen. Als 1950
die DDR die polnische Westgrenze anerkannte, erklärte Adenauer den Vertrag für
"null und nichtig". Die
Presse in Polen griff dies begeistert auf. Waren in der Bundesrepublik, die
damals Polens Westgrenze nicht anerkannte, noch "Kreuzritter" an der
Macht?
Inzwischen haben deutsche Historiker aufgehört den "Deutschen Orden"
und den "Drang nach Osten" zu glorifizieren und ihre polnischen
Kollegen haben aufgehört den "Deutschen Orden" zu dämonisieren. Das
Bild einer unüberwindbaren Feindschaft ist aus den deutsch- polnischen
Beziehungen verschwunden.
Immer noch Streit über den deutschen
"Drang nach Osten"
Die Kontroverse um Ostkolonisation (als deutsche
Kulturtat) oder Ostexpansion (als deutscher Drang nach Osten) löst sich
vielleicht auf, wenn man das Geschehen im europäischen Rahmen sieht. Seit den
Kriegen Karls des Grossen gegen die Sachsen ist die antik-römische Kultur durch
Eroberung und Christianisierung weiter nach Osten getragen worden. Die
Ostsiedlung des 12. bis 14. Jahrhunderts trägt die technischen, sozialen und
kulturellen Errungenschaften des hochmittelalterlichen Landesausbaus weit in die
Siedlungsgebiete der slawischen Völker hinein. In der Verschmelzung und
Gemeinsamkeit wird die Siedlung nach Deutschem Recht entwickelt. Als Fundament
des Deutschtums jenseits von Oder und Neiße ist wohl in der ehemaligen bäuerlichen
deutschen Ostbesiedelung zu sehen, die vom alten deutschen Siedlungsboden
aus vom 7. Jahrhundert bis zum 14. Jahrhundert über Staatsgrenzen hinaus
getragen, nach Deutschem Recht entwickelt und von den Kirchen gefestigt worden
ist.
Die bäuerliche deutsche
Ostsiedlung
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Der Streit über das Deutschtum im Osten wird wohl erst beigelegt werden können,
wenn sich nicht politisch gelenkte Historiker auf eine gemeinsame Formel einigen
und diese auch in Europäischen Schulbüchern festschreiben.
Solange das nicht geschieht, wird hier und woanders weiter gestritten und der
Streit machtpolitisch missbraucht!
Der
Weg zur Verständigung zwischen Deutschen und Polen
Nach
meinem Verständnis ist nachfolgender Satz der polnischen Bischöfe von 1965
immer noch aktuell:
"Wir
vergeben und bitten um Vergebung"
Das
was seit 1918 zwischen Deutschen und Polen politisch geschehen ist , führte zu
einer tiefen Spaltung zwischen Deutschen und Polen. Breite Schichten beider Völker
müssen jetzt über die Gründe der Spaltung und das gegenseitig zugefügte Leid
miteinander reden und um gegenseitige Vergebung bitten. Nur das bringt die Völker
nachhaltig näher zusammen.
Die
Grenzen für Begegnungen der beiden Völker sind offen. Es kommt darauf an, was
wir aus dieser Freiheit machen, im Sinne des Briefes der
polnischen Bischöfe ("Wir vergeben und bitten um Vergebung")
an ihre deutschen Kollegen aus dem Jahre 1965!
Ausgabedatum: 28.03.2003, Bruno Peter Hennek
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gern erteilt.
Anfragen
bitte an den Verfasser:
Bruno
Peter Hennek.
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