Kelten, Germanen,
Hunnen und
Slawen |
400 v. Chr. |
Die Kelten ziehen nach Schlesien |
200-100 v. Chr. |
Germanische Besiedelung durch Lugier, Wandalen, Silinger
und "Oder-Warthe Gruppe". Der Name Schlesien leitet
sich von dem Teilstamm der Silinger ab, die bis zum 4 Jh. das
Land in Besitz hatten und dann nach dem Westen abzogen. |
400 n. Chr |
Die Auswirkungen des
Hunneneinbruchs in Europa um 375, der Schlesien nicht direkt traf,
scheinen das Land um 400 erreicht zu haben. Die Germanen ziehen
teilweise fort. Ein Teil der Silinger schloß sich damals den westwärts
ziehenden asdingischen Wandalen an. Das silingische Königtum in
Schlesien ging jedoch erst ein Jahrhundert später nach dem
Zusammenbruch der hunnischen Macht im Donauraum unter. |
600 n. Chr. |
Slawische Stämme lassen sich in Schlesien nieder. Die
verbliebene germanische Restbevölkerung vermischt sich mit den Slawen, die nun in
die freien Gebiete einsickern, z. B. die Opolanen und die Golenzizi im
7. Jahrhundert n. Chr. |
um 900 n. Chr. |
Böhmischer Herzog Vratislav I gründet die Grenzburg
Vratislavia (Breslau) |
Schlesien als Teil des
polnischen Staates |
966 |
Fürst Mieszko I. aus dem
Herrschergeschlecht der Piasten lässt sich taufen und vereint dort
Polanie sowie benachbarte Stämme unter seiner Herrschaft |
1000 |
In Gniezno (Gnesen) wird die erste
polnische Kirchenprovinz eingerichtet. Kaiser Otto III. des
germanischen Reiches besuchte auf einer Pilgerreise von Rom aus im
Jahre 1000 das Grab des heiligen Adalbert in Gnesen und erhob dort
Herzog Boleslaw I. Chrobry (der Tapfere, 992-1025) zum "Bruder und
Mitarbeiter des Reiches".
Gründung des Bistums Breslau als Teil der polnischen
Kirchenprovinz mit seinen Rechten auf große Gebiete Oberschlesiens.
|
1024 |
Der Name Polen erscheint erstmals in der
Geschichte auf, als sich Boleslaw I. Chrobry mit päpsttlichem Segen zum
ersten polnischen König krönen lässt. |
1200 |
Aufhebung der polnischen Senioratsverwaltung,
die Bindung
an Polen lockert sich. |
Die deutsche Besiedelung |
1200 |
Heinrich I. holt deutsche Siedler aus Franken,
Thüringen, Sachsen (Meißen), aus dem Mährischen und aus dem Flämischen
ins Land. Er öffnet das bewaldete riesige Gebiet Schlesien den
deutschen Siedlern, die dem Land ihre Fortschrittlichkeit im
wirtschaftlichen Leben bringen sollen. |
1202 |
Hedwig (von Andechs) Herzogin
von Schlesien gründet das Zisterzienserkloster Trebnitz bei Breslau
in Schlesien. |
1223 |
Gründung von
Alt-Schalkendorf (mein Geburtsort!) nach Deutschem Recht. Das Dorf
taucht unter verschiedenen Namen in der Geschichte auf: Scholkovic,
Sulkowicz, Sodilkowicz, Sodolkowicz, Siedlkowitz, Scholkowic,
Scholkowicz, Sielkowic, Siolkowitz, Sielkowitz, Szalkowitz, Sialkowicz,
Siolkowicz, Szolkowicz, Schiodlkowicz, Schiolkowitz, Schalkowitz,
Alt-Schalkowitz, Alt-Schalkendorf, Stare Siolkowice.
das dorf wird als "Scacowici" in der Liste aller Dörfer die
zum Kloster Czarnowanz gehören aufgeführt. |
1241 |
Die Mongolen überschreiten die Oder (Odra) bei
Ratibor (Racibórz). Der Mongoleneinfall richtet große Zerstörungen
an. |
1242 |
Zahlreiche Dörfer und Städte werden nach deutschem Recht
gegründet |
Die böhmische Periode |
1335 |
Im Vertrag von Trentschin verzichtet König Kasimir III.
von Polen für immer auf Schlesien, sh. auch hier. |
1339 |
Verzicht vom König zu Krakau erneuert. |
1355 |
Als böhmisches Lehen kommt es mit Böhmen unter Kaiser
Karl IV. zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. |
1430 |
Große Verwüstungen durch den Einfall der Hussiten. 1435
Ende der Hussitenkriege. Das Land steht am Rande des Ruins. |
Die Österreichische
Periode |
1526 |
Schlesien und Oberschlesien kommen zu Österreich. |
1639 - 1646 |
Schwedische und kaiserliche Truppen verwüsten Schlesien.
Zerstörung, Plünderung und Seuchen vernichten und entvölkern vor
allem die Städte, die ihre alten Bevölkerungszahlen erst im 19.
Jahrhundert und teilweise überhaupt nicht mehr erreichen. |
Unter preußischer
Herrschaft |
1740 |
1. Schlesischer Krieg:
Friedrich der II drang 1740 nach Schlesien ein und schlug dort 1741 die
österreichischen Truppen. Maria Theresia musste fast ganz Schlesien
abgeben, bis auf die Grafschaft Glatz. |
1742 |
2. Schlesischer Krieg:
Zum Zweiten Schlesischen Krieg kam es, nach dem Karl Albrecht von
Bayern, der Gegenspieler Maria Theresias, zum Kaiser (Karl VII.) gewählt
worden war und Preußen deshalb fürchtete, seine Beute Schlesien könnte
wieder verloren gehen. Der preußische Sieg führte zum Frieden vom
Dresden, der die Herrschaft Friedrich II. in Schlesien bestätigte.
Schlesien wird zwischen Österreich und Preußen geteilt. |
1756 |
3. Schlesischer Krieg:
Weil Friedrich II. die Annäherung zwischen Frankreich und Österreich
als Bedrohung empfand führte er - später auch mit Unterstützung des
russischen Zaren Peter III - einen siebenjährigen Krieg, der am Ende
dazu führte, dass der größte Teil Schlesiens preußisch wurde. |
1763 |
Hubertusburger Frieden. Neuziehung der Grenzen, fast ganz
Schlesien bleibt preußisch. |
um 1800 |
Zur polnischen Sprache
wird jetzt auch in deutscher Sprache in Schalkendorf unterrichtet |
1806 |
Die Franzosen rücken in Schlesien ein. |
1813 |
Nach der französischen Niederlage in Rußland geht von
Schlesien die Erhebung gegen Napoleon aus. |
um 1828 |
Erster Kartoffelanbau in
Schalkendorf |
1846/47 |
Große Trockenheit und
Hungersnot auch in Schalkendorf |
1848 |
Aufruhr und Revolution in Schlesien. Auf dem Lande
Bauernaufstände. |
1866 |
Einführung der Selbstverwaltung. |
1871 |
Viele Schalkendorfer
polnischer Herkunft verlassen das Dorf um sich eine neue Zukunft in
Brasilien aufzubauen, sh. auch hier. |
1878 |
Es wird nur noch in
deutscher Sprache in Schalkendorf unterrichtet |
Nach dem Ersten Weltkrieg |
1919 |
Durch den Versailler Vertrag wird Oberschlesien durch
Teilungen zerrissen. |
August 1919 |
Der erste polnische Aufstand verfolgte das Ziel des
Polnischen Nationalkomitees - in Paris gegründet - Regionen in
Schlesien mit mehrheitlich polnischsprachiger Bevölkerung in das Gebiet
Polens einzubeziehen. |
August 1920 |
Der zweite polnische Aufstand im oberschlesichen
Industrierevier führte zum Beschluß der Teilung Oberschlesiens, der
aber nicht vollzogen werden konnte und man sich deshalb an der Völkerbund
wandte. |
3.Mai 1921 |
Der dritte polnische Aufstand in Schlesien der zu
einer entscheidenden Auseinandersetzung zwischen polnischen Einheiten
und dem "Selbstschutz Oberschlesien" am 21. Mai 1921 auf dem
Annaberg führte und der nun schließlich zur Abtretung von
Ostoberschlesiens an Polen führte. |
1921 |
Volksabstimmung in Oberschlesiens
mit 59,6% zugunsten Deutschlands in Oberschlesien und 40,4% zu Gunsten
Polens.
Am 20. Oktober 1921 beschloss die Kommission der Botschafter der
Entente die Abtretung Ostober- schlesiens an Polen. Die Teilung
Oberschlesiens führte zur Abwanderung vieler Deutscher aus
Ostoberschlesien. Damit ist aber auch das Industrierevier im Westen
Oberschlesiens gewachsen. Gleiwitz rückte nun ins Zentrum der Industrie
Scvhlesiens.
|
1939 |
Beginn des 2. Weltkrieges
mit dem Überfall auf den
Sender Gleiwitz (Gliwice). Am
Abend des 31.8.1939 überfiel der SS-Sturmbannführer Alfred Naujocks
zusammen mit fünf oder sechs in Zivil gekleideten SS-Leuten den Sender
Gleiwitz. Das laufende Programm wurde unterbrochen, über den Sender
wurde ein Aufstand der polnischen Minderheit ausgerufen. Ein Toter, als
"Konserve" bezeichnet, wurde als "Beweis" für den
angeblichen polnischen Überfall in der Sendeanlage deponiert, nach
wenigen Minuten war der Spuk vorbei. Dieser
fingierte Überfall sollte neben anderen, auf ähnliche Weise
inszenierten Übergriffen Hitler den Anlass zum Krieg gegen Polen
liefern. Der Sieg über Polen bringt die
Wiedervereinigung Schlesiens, jedoch vertieft die einsetzende
Germanisierungspolitik den Gegensatz zwischen Deutschen und Polen. |
1943 |
In Alt Schalkendorf im Kreis
Oppeln komme ich Bruno Peter Hennek auf diese vom einem brutalen Krieg
schwer gezeichnete Welt. |
1944 |
Mein Vater Paul Hennek
verabschiedet sich von meiner Mutter und mir im Mai 1944 am Oppelner
Hauptbahnhof vor dem Transport an die Deutsche Ostfront in Moldavien.
Er kommt kommt in der Zeit vom 20. August
bis 28. August im Kessel von Kischinew um. In der Katastrophe zwischen
Dnjestr und Pruth haben nur 20.000 von über 170.000 Soldaten der
neu aufgestellten 6. Armee den Rückzug zum Ostufer der Pruth geschafft.
Dort sind auch die Reste von der Roten Armee vernichtet worden. Nur ca.
350 Rückkämpfer der 6. Armee und ca. 1200 Mann der 8. Armee haben sich
bei den deutschen Auffangstäben zurückgemeldet.
Die Russen meldeten später
106.000 Gefangene. Die Zahl der Rückkehrer aus russischer
Kriegsgefangenschaft wird mit 70.000 angegeben.
Quelle: "Ostfront 1944", Dörfler
Zeitgeschichte und Suchdienst des Deutsche Roten Kreuzes. |
Nach dem zweiten
Weltkrieg |
1945 |
Schlesien kommt unter polnische Verwaltung.
Vertreibung der deutschen Bevölkerung beginnt (Vertreibungsdekrete von
Bierut!), wobei vor allem in
Niederschlesien fast alle Deutschen davon betroffen sind. Von den 4,82
Millionen in Schlesien bei Kriegsende wohnenden Deutschen sind 550.000
umgekommen. 1950 lebten 3,25 Millionen Schlesier in der Bundesrepublik
Deutschland und in der DDR, während sich noch 700.000 in Schlesien
befanden. Ebenfalls nach Angaben
von 1950 wohnten in Niederschlesien noch 10% "Einheimische"
und in Oberschlesien 55% "Einheimische". Die übrigen
Einwohner Schlesiens zu diesem Zeitpunkt waren Vertriebene aus den
ehemaligen polnischen Ostgebieten und aus anderen polnischen Regionen.
Internierungslager für Deutsche:
Zwei der berüchtigsten Lager sind ab Juni 1945 in Lamsdorf
und Schwintochlowitz von der polnischen Untergrundbewegung ohne
staatlichem Auftrag eingerichtet worden. Dort wir Rache genommen an der
aus dem Umland zusammengetriebenen Bevölkerung. Alleine in
Schwintochlowitz kommen von 5107 Lagerhäftlingen 1855 um!
Bild: Skizze des Lagers Schwintochlowitz
Quelle: www.deutsche-und-polen.de
(ORB)
|
1945 |
Meine
Mutter reist im Herbst 1945 mit ihrer Freundin von Schlesien aus nach
Deutschland um bei den dort eingerichteten Suchdienststellen etwas über
den Verbleib ihres Mannes und meines Vaters zu erfahren. Während Ihre
Freundin eine gute Nachricht über den Verbleib ihres Mannes dort
bekommt, wird meiner Mutter lediglich gesagt, dass mein Vater als
vermisst gemeldet werden muss, da von seiner Einsatzstelle bisher
niemand zurückgekommen ist. Sie reist daraufhin alleine wieder zurück
zu ihrem Sohn nach Schlesien. |
1953 |
Am
5. März stirbt der Diktator Stalin, den wir Kinder der Schalkendorfer
Grundschule vor dem russischen Ehrenmal gedenken müssen. Die geistige
Kolonisierung und Isolierung der Menschen in Schlesien durch die
kommunistischen Regierung Polens geht aber weiter... |
1955 |
Die Ostblockstaaten
verkünden das offizielle Kriegsende mit
Deutschland.
Aufgrund vergeblicher Suche meiner
Mutter nach meinem Vater, musste mein Vater zwischenzeitlich
amtlich für Tod erklärt werden.
|
1956
bis
1958 |
Von
1956 an war es dann möglich Ausreiseanträge in die Bundesrepublik
Deutschland im Rahmen eines Abkommens zur Familienzusammenführung zu stellen. Bis 1958 sind
Ausreisende mit 504 Sonderzügen in das Aufnahmelager Friedland
gebracht worden. Nach deutscher Statistik sind in dieser Zeit 132.494
Aussiedler aus Polen im Rahmen der Familienzusammenführung in Deutschland
aufgenommen worden. |
1958 |
Im April 1958 verlassen meine
Mutter ich Schalkendorf und damit auch Schlesien in die Bundesrepublik Deutschland.
Zwei Wochen vor dem Ausreisetermin habe ich mich bei der Verwaltung des
Gymnasiums in Groß Döbern abgemeldet. Sogleich mußte ich das
Gymnasium verlassen. |
1965 |
Das
Versöhnungszeichen der polnischen Bischöfe vom 18.11.1965
Nach
Abschluß des II. Vatikanischen Konzils (11. Oktober 1962 - 8. Dezember 1965)
wird ein Brief der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Kollegen veröffentlicht.
Der darin enthaltene Satz "Wir vergeben und bitten um Vergebung" wird
in der Folge von der katholischen Kirche in Deutschland übernommen und zum
wichtigsten Leitmotiv der christlichen Versöhnung zwischen Polen und Deutschen.
Zu
den Unterzeichnern des Briefes zählte auch der am 02. April 2005 verstorbene Papst
Karol Jozef Wojtyla.
|
1970 |
Ab
1970 kam es erneut zu einer Ausreisewelle - bis 3000 Personen täglich.
Wegen Schwierigkeiten in polnischen Industriegebieten wurde die Ausreisewelle
bis 1975 stark reduziert.
Verbesserung der Beziehungen zwischen
Deutschen und Polen durch den "Kniefall" am 08.12. 1970
von Bundeskanzler
Willi Brandt bei seinem Besuch in Warschau. |
1973 |
1973
erlaubten die Polen reisewilligen Schlesiern aus Deutschland den Besuch
Schlesiens mit dem eigenen PKW und ohne Einschränkungen, wenn man von dem
Zwangsumtausch der DM absieht. |
1981 |
Am
13. Dezember 1981 wurde in Polen der Kriegszustand ausgerufen. Damit
hofften die kommunistischen Machthaber, die Freiheitsbewegung, die sich
seit dem Sommer 1980 um die Freie Gewerkschaft „Solidarno¶æ“
gruppierte, zu zerschlagen. Der im August 1980 in der Danziger Werft
begonnene Prozess führte im nächsten Jahrzehnt zum Zusammenbruch der
kommunistischen Regime in Ostmitteleuropa und zur Entstehung souveräner
demokratischer Staaten in diesem Teil des Kontinents. |
1985 |
Ansprache des Bundespräsidenten
Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 im Plenarsaal des Deutschen
Bundestages zum 40. Jahrestag der Beendigung des Zweiten
Weltkrieges
"Der 8. Mai ist für uns vor allem ein Tag der Erinnerung an das,
was Menschen erleiden mussten. Er ist zugleich ein Tag des Nachdenkens
über den Gang unserer Geschichte. Je ehrlicher wir ihn begehen, desto
freier sind wir, uns seinen Folgen verantwortlich zu stellen.
Der 8. Mai ist für uns Deutsche kein Tag zum Feiern. Die Menschen, die
ihn bewusst erlebt haben, denken an ganz persönliche und damit ganz
unterschiedliche Erfahrungen zurück. Der eine kehrte heim, der andere
wurde heimatlos. Dieser wurde befreit, für jenen begann die
Gefangenschaft. Viele waren einfach nur dafür dankbar, dass Bombennächte
und Angst vorüber und sie mit dem Leben davongekommen waren. Andere
empfanden Schmerz über die vollständige Niederlage des eigenen
Vaterlandes. Verbittert standen Deutsche vor zerrissenen Illusionen,
dankbar waren andere Deutsche für den geschenkten neuen Anfang...
Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem
menschenverachtenden System der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft.
Niemand wird um dieser Befreiung willen vergessen, welche schweren
Leiden für viele Menschen mit dem 8. Mai erst begannen und danach
folgten. Aber wir dürfen nicht im Ende des Krieges die Ursache für
Flucht, Vertreibung und Unfreiheit sehen. Sie liegt vielmehr in seinem
Anfang und im Beginn jener Gewaltherrschaft, die zum Krieg führte.
Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen.
Wir haben wahrlich keinen Grund, uns am heutigen Tag an Siegesfesten zu
beteiligen. Aber wir haben allen Grund, den 8. Mai 1945 als das Ende
eines Irrweges deutscher Geschichte zu erkennen, das den Keim der
Hoffnung auf eine bessere Zukunft barg." |
1989 |
Während der revolutionären Umwälzungen von 1989 sind
von der polnisch- kommunistischen Regierungen die wichtigsten
Vertreibungsdekrete aus der Zeit von Bierut außer Kraft gesetzt worden,
wie Forschungen im Sejm-Archiv vom Warschauer Zeithistoriker Prof. W.
Borodziej auf Anregung vom M. Ludwig (FaZ) ergeben haben. Am 03. Januar
2003 bestätigte Herr Prof. W. Borodziej meine diesbezügliche Anfrage
an ihn im ORB-Chat zu der Sendung "Deutsche und Polen" und
verwies auf seine Publikation dazu im "Dialog" 61 Ausgabe
2002. |
1989 |
Im Jahr der Wende 1989 sammelte Johann Kroll alleine in
Oppeln
260.000 Unterschriften derer, die sich noch als "Deutsche"
bezeichneten. Insgesamt sind 400.000 Unterschriften der Deutschen
Botschaft übergeben worden.
Insgesamt geht man davon aus, dass von den 1,6 Millionen in Polen
nach dem Krieg verbliebenen Deutschen, nun noch etwa 300.000 bis 500.000
in Polen leben, die meisten davon in den Gebieten bei Kattowitz, Oppeln
und Tschenstochau.
|
1990 |
Im deutsch-polnischen Grenzvertrag wird die Oder-Neiße-Linie
als Grenze zwischen den beiden Staaten anerkannt.. |
1991 |
Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Republik Polen über gut Nachbarschaftliche und freundschaftliche
Zusammenarbeit |
1990 |
Die Deutsche Minderheit in Polen wurde von den Polen 1989
anerkannt. Die Existenz einer solchen Minderheit ist von der offiziellen
Propaganda über 40 Jahre geleugnet worden. Minderheitenschutzrechte
werden nun eingeräumt.
Bei den Kommunalwahlen im Mai 1990 beteiligte sich die deutsche
Minderheit erstmals an Kommunalwahlen. In Oppeln und rund um den
Annaberg wurden 380 von 500 deutschen Kandidaten gewählt, 30 Bürgermeister
stellten die Deutschen Minderheiten bis 1993. |
1991 |
Deutsche in Oberschlesien können die doppelte Staatsangehörigkeit
erhalten, also die polnische und deutsche.
Bei den Sejmwahlen bekommt die Deutsche Minderheit (MN) 7 Sitze
mit 1,17% Wählerstimmen.
Auch die
folgenden Bundesregierungen hakten sich an die Reglung, auf
die sich Polen und Deutschland 1991 geeinigt hatten, wonach Vermögensfragen
weiterhin als offen betrachtet, von der Politik jedoch nicht
thematisiert werden. |
1993 |
Bei den Sejmwahlen bekommt die Deutsche Minderheit (MN) 4
Sitze mit 0,8% Wählerstimmen. |
1994 |
Polen stellt Antrag auf Aufnahme in die EU |
1997 |
Polen tritt der NATO bei und die neue Verfassung Polens
trifft in Kraft. Polen ist nun ein demokratischer Rechtsstaat,
der den Prinzipien der Gewaltenteilung, der Demokratie und der sozialen
Gerechtigkeit verpflichtet ist. Mit der Regelung der Übertragung von
Hochheitsrechten auf internationale Organisationen ist eine Grundlage für
den Beitritt zur Europäischen Union geschaffen.
Bei den Sejmwahlen bekommt die Deutsche Minderheit (MN) 2 Sitze
mit 0,61% Wählerstimmen.
|
1998 |
Das polnische Parlament weist eine Entschließung des
Deutschen Bundestages zurück, demzufolge die Aufnahme Polens in die EU
an die "Lösung noch offener, Bilateraler Fragen" geknüpft
wird. Gemeint ist das freie Niederlassungsrecht von Deutschen in
Polen. |
2001 |
Bei den Sejmwahlen bekommt die Deutsche Minderheit (MN) 2
Sitze mit 0,36% Wählerstimmen.
|
2002 |
Das Europaparlament schafft am 13.12.2002 die Ökonomischen
Grundlagen zur Aufnahme von 10 osteuropäischen Staaten in die EU,
darunter auch Polen. Der EU-Beitritt Polens ist für das Jahr 2004
geplant.
Zu erwarten ist, dass dann nach den
Statuten der Europäischen Union auch in Polen ein freies Niederlassungsrecht für alle Bürger
der EU, also auch der Deutschen Bürger, gelten wird!
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2003 |
In der Erklärung zur
polnischen Volkszählung gaben 173.200 Bürger an, schlesischer
Nationalität zu sein.
Die Zahlen im Einzelnen:
173.200 schlesische Nationalität
152.900 deutsche Nationalität
48.700 weißrussische Nationalität
31.000 ukrainische Nationalität
12.900 Roma
5.900 Lemken
5.800 litauische Nationalität
5.100 kaschubische Nationalität
2.000 slowakische Nationalität
1.100 jüdische Nationalität
800 tschechische Nationalität
Während der gesamten Zeit des realen Sozialismus wurde die Überzeugung
von der unbedingten Einheit und ethnischen Einheitlichkeit Polens
gepflegt, doch die angegebenen Daten waren grotesk.
Quelle: "DIALOG" 65/2003/2004 Seite 94-96
Nach
der Aufnahme Polens am 12.03.1999 in die NATO, Unterzeichnung des
EU-Beitrittsvertrags am 16.04.2003 und Zustimmung der polnischen Bürger
im Referendum vom
08.06.2003 zum EU-Beitrittsvertrag (Gesamtpolen 81,7%, in
Schlesien sogar 83,4%),
wird Polen zum 01.05.2004 Vollmitglied der Europäischen Union und damit
wird auch Schlesien eine Region in Europa.
Quelle:
Polnische Tageszeitung Politika und
BdV-NACHRICHTEN 12-2003/1,2-2004 Seite 8
Die
meisten Ja-Stimmen sind aus den schwarz markierten Gebieten des heutigen
Polen nach obiger Karte für den EU-Vollbeitritt gegeben worden.
Damit
dürfte der Weg der Zukunft klar vorgezeichnet sein, Polen, und damit
auch Schlesien, wird ein Teil Europas. Lange genug hat es gedauert!
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2004 |
Polen
und damit auch die Region Schlesien, wird vom 01. Mai 2004 an EU-Vollmitglied
|
2004 |
Der
Sejm, das polnische Abgeordnetenhaus, hat in seiner Sitzung am 4.
November 2004 mit breiter Zustimmung das seit 15 Jahren diskutierte Minderheitengesetz
in letzter Lesung verabschiedet. Das Minderheitengesetz in der endgültigen
Fassung wurde mit 247 Stimmen angenommen. 133 Abgeordnete stimmten
mit Nein und sechs enthielten sich. Damit hat die junge Demokratie in
Polen dokumentiert, dass Polen endgültig in Europa angekommen ist.
Ein von der Präsidentin des Bundes der
Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, und dem SPD-Politiker Peter Glotz
vorgeschlagenes „Zentrum gegen Vertreibungen“ löste
eine der langwierigsten und schärfsten Debatten der letzten Jahre aus.
Ihnen sprang Angela Merkel bei, die deutscherseits einen „Mangel
an Selbstvertrauen“ konstatierte und sagte, dass für die
Vertreibung als Teil der deutschen Geschichte ein nationales Projekt
angemessen sei. Edmund Stoiber sah es als selbstverständlich an, dass
ein Volk seiner Opfer gedenkt.
Bundeskanzler Schröder wiederum sprach sich für eine Europäisierung
des Projektes aus, da sonst das den Deutschen widerfahrene Unrecht zu
sehr in den Vordergrund geraten könne. Außenminister Fischer
bezeichnete die Vertreibungen als Teil einer umfassenden deutschen
Selbstzerstörung, in der die Vernichtung des deutschen (und
deutschsprachigen) Judentums eine mindestens ebenso große Rolle
spielte.
Die Debatte enthüllte, wie leicht die geschichtspolitischen
Fortschritte, die im deutsch-polnischen Verhältnis in den letzten
Jahrzehnten erzielt worden waren, durch das Reizthema Vertreibung in den
Hintergrund gedrängt werden konnte. Dazu kam die Uneinigkeit über
den Irak Krieg und die EU-Verfassung, so dass die deutsch-polnischen
Beziehungen im Jahr 2003/2004 so schlecht waren wie seit langem nicht.
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